Zusammenfassung. Wie kann es gelingen, Vorhaben der Regionalgesellschaft in Gang zu setzen und zum Erfolg zu führen? Es bietet sich an, die Initiatoren erfolgreicher Projekte dazu systematisch in psychologischen Interviews zu befragen und danach die ermittelten Erfolgsfaktoren selbst anzuwenden. So sind meine Teams zwischen 2000 und 2020 vorgegangen. Heute möchte ich einen Klassiker dieser Erfolgsfaktoren skizzieren. PRO statt KONTRA meint: Wenn Du eine neue Gesellschaft willst, bringe sie in die Welt! Solange Du ausschließlich gegen eine Gesellschaft kämpfst, die Du für überlebt hältst, wirst Du die neue nicht bekommen.

Im Jahr 2000 hat ein Team von Sozialwissenschaftlern eine Reihe von strukturierten Interviews geführt mit Personen, welche regionale Lösungen zur Nutzung von lokal vorhandener Energie umgesetzt hatten, z.B. mit Michael Sladek und den weiteren Stromrebellen aus Schönau im Schwarzwald. Wir fragten sie:

Was sind die Besonderheiten Ihres Projekts? Wie haben Sie andere Menschen motiviert und mobilisiert, sich an dem Projekt zu beteiligen? Wie haben Sie andere Menschen überzeugt und wie haben Sie Schwierigkeiten bei der Verfolgung Ihrer Ziele überwunden? Welche Faktoren haben zum Erfolg des Projekts geführt? Welche Rolle spielten die Medien bei der Verbreitung der Idee? Gab es Konsequenzen des kollektiven Handelns für die Gemeinschaft? Gab es Veränderungen im Grad der Identifikation der Menschen mit ihrem Dorf? Hat sich das Gemeinschaftsgefühl während des Projekts verändert?

Wir haben auch erfragt, ob die Befragten mit dem Umstellungsprozess im Dorf zufrieden sind und was sie anders machen würden, wenn sie die Möglichkeit hätten, es noch einmal zu tun. Ziel war es, aus den Erfahrungen aus solchen Projekten zu lernen und diese in unserem Projekt „Energiewendedörfer“ anzuwenden. Darüber hinaus haben wir versucht, Gesetzmäßigkeiten zu finden und zu formulieren, die erfolgreiche kollektive Handlungsprozesse im Allgemeinen kennzeichnen.

Unter den in verschiedenen Initiativen wiederholt genannten Erfolgsfaktoren befand sich die Aussage: Wir waren erfolgreich, weil wir uns für und nicht gegen etwas engagiert haben. Wenn das Ziel des Projekts positiv und konstruktiv formuliert wird, führt das weiter als wenn man Gegner, seien es Personen oder Unternehmen benennt, gegen die man zu agieren plant. In Schönau etwa, einem Schwarzwald-Städtchen nannte sich die nach dem Tschernobyl-Unfall gebildete Initiativgruppe für regionale Energie „Eltern für eine atomenergie-freie Zukunft“ und nicht „Eltern gegen die Nuklearenergie“. Über dieses Framing der eigenen Aktivitäten wurde zu Beginn der Initiative in Schönau intensiv diskutiert. Man wurde sich einig, dass die PRO-Formulierung eine positive Lebensauffassung stützt, dass die „Pro-Haltung“ Assoziationen zur konstruktiven Konfliktlösung, zu Liebe, zu Hilfe für die Menschen und zur Erhaltung der Natur weckt, während die „Kontra-Haltung“ oft einen destruktiven Charakter hat und im besten Falle einen Mißstand erfolgreich bekämpft, aber keine Alternative in die Welt bringt.

Am Erfolg der EWS Schönau, heute einer Genossenschaft mit 13.597 Mitgliedern, lässt sich der Erfolg dieser positiven Einstellung erkennen. Die EWS bietet heute landesweit Energie an, welche nicht auf fossilen Importen beruht sondern die aus Energiequellen in den Regionen unseres Landes gewonnen wird. Das Modell der EWS ist damit ein wesentlicher Baustein der Regionalgesellschaft und stand sicherlich auch Pate bei vielen der ca. 800 Energiegenossenschaften im Land, welche in den vergangenen Jahrzehnten entstanden sind.

Die Anwendung des Erfolgsfaktors PRO statt KONTRA in den eigenen Projekten hat vermutlich zum Erfolg der 200 Energiewendedörfer im Land beigetragen, welche von unseren Teams nach dem Jahr 2000 initiiert worden waren.

Zum Abschluss ein kurzer Blick auf die besondere Situation der vergangenen fünf Jahre. Die Ereignisse seit 2020 haben in Deutschland und auch weltweit eine gewaltige Bewegung gegen die Maßnahmen von Regierungen ausgelöst, welche auf Einschränkung von Menschenrechten sowie medizinische Zwangsmaßnahmen abzielten. Dadurch wurde eine Kontra-Haltung erzwungen für alle Menschen, die den Abbau demokratischer Strukturen sowie Einschränkungen der Verfügung über die eigene Gesundheit nicht zulassen wollten. Hier waren Kontra-Aktivitäten von Montagsspaziergängen bis hin zu Großdemonstrationen sicherlich notwendig und haben möglicherweise Schlimmeres wie einen allgemeinen Impfzwang verhindert.

Dennoch habe ich nach längerer Überlegung die Formulierung im Beitragstitel PRO statt KONTRA belassen. Denn es geht hier um die Psychologie des Wandels hin zur Regionalgesellschaft. Aktivitäten gegen Angriffe auf bisher Erreichtes sind sicher wichtig, sie können sogar in politisch heißen Phasen überlebenswichtig werden. Auch meine Tochter und ich sahen Anfang der 2020er den Bundestag durch den Sprühregen von Wasserwerfern. Doch wenn wir in unserer Grundhaltung im KONTRA bleiben, wird die gesellschaftliche Evolution hin zu einer fairen Regionalgesellschaft um keinen Deut vorankommen.

Sollten Sie zu denen gehören, die langjährig im Widerstand gegen Angriffe auf die Würde und Rechte der Völker unserer Welt aktiv waren: Mein allergrößter Respekt für Ihr so wichtiges Engagement. Spätestens, wenn Sie ein Ausbrennen Ihrer Energie wahrnehmen – versuchen Sie es einmal mit PRO 🙂

Das Titelfoto zeigt Michael Sladek, 2024 verstorbener Initiator der EWS. Danke Michael, für den gewaltigen Impuls, den Du im Kreise der Schönauer Engagierten mit Deinem Lebenswerk der Regionalgesellschaft geschenkt hast.

Zuerst veröffentlicht auf der Pareto Plattform für unzensierbaren Bürgerjournalismus.