In Bautzen, wo seit Jahrhunderten Sorben und Deutsche zusammenleben, gab es im Jahr 1018 einen Friedensvertrag zwischen Franken, Deutschen und Slawen. 2014 gründeten Engagierte den Verein Bautzener Frieden, aus dem die Mahnwache Bautzen hervorging, und haben seitdem mehrere Friedensfeste organisiert.
Am 30. August 2025 besuchte ich das Friedensfest Bautzen – organisiert von der Mahnwache Bautzen, die seit 239 Wochen ununterbrochen jeden Montag für Frieden, Freiheit, Souveränität und Selbstbestimmung auf der Straße ist. Hier treffen sich Menschen, welche die Überzeugung teilen, dass wir Menschen dieser Erde eine Familie sind. Eine Familie, die in Frieden und Freundschaft zusammenleben kann und die Unterschiedlichkeit von Nationen und Kulturen als Schatz begreift. So wird es hier seit vielen hundert Jahren praktiziert – mit dem friedlichen Zusammenleben von Sorben, die zum slawischen Teil der Völkerfamilie gehören und Deutschen. Man respektiert sich – und freut sich an der gegenseitigen Bereicherung verschiedener Kulturen und Traditionen.
Und mehr noch – man liebt sich gelegentlich. Mein Urgroßvater war deutscher Dachdecker in Hochkirch nahe Bautzen, meine Urgroßmutter eine slawische Bäuerin aus Cunewalde südlich des Berges Czorneboh bei Hochkirch, der schwarze Berg, der bis heute den slawischen Namen trägt. Die beiden verliebten sich, gründeten eine Familie und hatten Kinder, darunter meinen Großvater Paul Proft. Sie wohnten neben der Kirche von Hochkirch in einem Haus, welches heute als Heimatmuseum über die Bewohner des Hauses erzählt.
Sohn Paul wurde Kantor und Lehrer, gründete eine Familie mit drei Kindern – doch sein Leben war nicht lang. Er fiel in einem Krieg, bei dem die erwachsenen Männer, unsere Großväter und Urgroßväter, einer verbrecherischen Propaganda auf den Leim gingen. Sie überfielen Nachbarländer in allen Himmelsrichtungen, darunter die slawischen Völker im Osten. Operation Barbarossa ging in Richtung Moskau. Diesem Feldzug gegen die damalige Sowjetunion fielen 27 Millionen Menschen in den überfallenen Ländern zum Opfer. Russen, Ukrainer, Weissrussen und Angehöriger weiterer dutzender Völker Osteuropas und Asiens. Sie wurden ermordet von Menschen, welche die Propaganda einer verbrecherischen Clique nicht oder zu spät durchschauten.
Zurück zu Pauls Kindern. Seine zwei Söhne kamen ebenfalls in den Kriegswirren ums Leben, einer als Soldat, der andere durch Suizid. Meine Mutter überlebte im Alter von 11 Jahren als Halbwaise diese furchtbaren Jahre. Sie ist heute 91 Jahre alt, und letzte Woche fragte ich sie, was sie über Krieg und Frieden denkt. „NIE WIEDER KRIEG. Wir Kinder haben uns nach Kriegsende das Wort gegeben, dass wir lieber ein Leben lang trockenes Brot essen als uns wieder in einen Krieg verwickeln zu lassen.“
Vor diesem Hintergrund bin ich mit großer Freude der Einladung in die Lausitz, die Heimat meiner Vorfahren gefolgt. Die Menschen auf dem Friedensfest Bautzen wissen – wie alle klar denkenden Menschen unseres Landes – dass höchste Achtsamkeit geboten ist, wenn Politiker eines Landes „Kriegstüchtigkeit“ einzufordern beginnen. Wenn Politiker ihre Versprechen nicht halten – Stichwort James Baker und Nato-Osterweiterung – oder mit einem abgewählten Parlament Aufrüstungsbeschlüsse fassen.
Das Fest auf dem Bautzener Kornmarkt war ein buntes Feuerwerk für alle Sinne. Die Versorgung stellten regionale Biobetriebe, es gab Friedensbrote und handwerklich gebrautes Bier. Stände von Initiativen informierten über die Pflege von Völkerfreundschaft und kulturelle Traditionen, darunter die Gesellschaft für Deutsch-Russische Freundschaft. Osteuropäische Volkstänze wurden aufgeführt und deutsche sowie russischsprachige Lieder präsentiert. Beim Lied „Kleine weisse Friedenstaube“ sangen viele Besucher mit. Eine Andacht zu Friedensgeboten in der Bibel wie „Menschen weigert Euch, Feinde zu sein“ und eine Gesprächsrunde zum Thema „Die Zukunft beginnt jetzt“ thematisierten Friedensfragen aus verschiedenen Perspektiven.
Bei der Musik meist regionaler Künstler stiegen Friedenstauben in den Abendhimmel über Bautzen. Danke an alle Engagierten zum Gelingen dieses friedlichen und zauberhaften Friedensfestes. We shall overcome some day.
Oder nicht erst „some day“ sondern hier und jetzt? Lasst uns heute gemeinsam friedlich singen und tätig sein beim Aufbau unserer länderübergreifenden Regionalgesellschaft.
Zuerst veröffentlicht auf der Pareto Plattform.
